Noch was zum Thema “Rechenmaschine”
Hekates Vorbemerkung an mich
So anno 1996 wollte ein Herr Luxbacher meine “Rechenmaschine” in einem Beitrag über die Technikgeschichte der Rechenautomaten für ein Science-Fiction-Jahrbuch des Heyne-Verlags zitieren – was mich damals veranlaßte, ihm noch ein paar Gedanken dazu aufzuschreiben (die dann offenbar etwas über seinen Horizont gingen!) Da ich sicher bin, daß dieses bei Dir nicht der Fall sein wird, hier eine Kopie davon:
Der Text
Die Idee, den „Laplaceschen Dämon“ mit einer Rechenmaschine auszurüsten, damit er nun die „mathematische Analyse“ – vermöge derer aus dem gegenwärtigen Zustand der Welt jeder künftige oder vergangene Zustand abzuleiten wäre – auch wirklich durchführen kann (denn wer hätte je schon eine „mathematische Analyse“ ohne irgendein materielles Substrat – sei es nun Bleistift und Papier oder das Gehirn eines Mathematikers – gesehen?) – führt nun zu einer überraschenden Konsequenz, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:
eine solche Maschine müßte ja für jedes Elementarteilchen dieser „Welt“ mindestens eine Speicherstelle enthalten, in der jeder mögliche Zustand dieses Teilchens darstellbar wäre. Selbst die allersparsamste Realisierung einer solchen Speicherstelle wäre nun jedoch mindestens wiederum so ein Teilchen (das die fraglichen Zustände annehmen könnte).
Das ergäbe dann aber nochmals genau so viele Teilchen, wie es in dieser „Welt“ überhaupt gibt! Aus diesem Dilemma gäbe es nur drei Auswege:
:: Ein (abzählbar) unendliches“ Universum ::
In einer Welt, die „unendlich viele“ Teilchen enthielte, könnte auch eine Teilmenge solcher Teilchen (z.B. der Teil, aus dem der Dämon seine Rechenmaschine baut) noch immer „unendlich viele“ Teilchen umfassen – also genug, um auch alle übrigen auf diese Teilmenge „abzubilden“ [siehe jede Einführung in die Cantorsche Mengenlehre: die „Teilmenge“ der ungeraden (ganzen) Zahlen umfaßt genauso „unendlich viele“ Zahlen wie die Gesamtmenge aller (ganzen) Zahlen überhaupt usf.]. Die Frage ist nur, wie eine „unendlich große“ Rechenmaschine funktionieren würde (und ob der Dämon nicht auch „unendlich lange“ brauchen würde, um ihre Resultate abzulesen); zudem ergäbe die Annahme „unendlich vieler“ p h y s i s c h e r „Teilchen“ im Universum (anders als bei rein mathematischen Elementen wie
Zahlen usf.) andere kaum lösbare Widersprüche.
:: Identische Parallelität ::
Bei dieser Annahme wären die Teilchen, aus denen der Dämon seine Maschine baut, in der Tat Stück für Stück genaue „Kopien“ der Teilchen in dem Universum, das er vorausberechnen will – nur dürfen sie selbst dabei n i e in irgendeine W e c h s e l w i r k u n g mit jenen Teilchen des („Nicht-Maschinen“-)Universums treten (denn um a u c h noch eine solche dar- zustellen, hätte er „nicht genug Speicherstellen“ in seine Maschine!). Das wären dann ziemlich genau die Verhältnisse wie bei Leibniz´schen „Monaden“: die existieren auch alle parallel nebeneinander her, ohne je miteinander in Wechselwirkung zu treten („Monaden haben keine Fenster“) – aber dank der „prästabilisierten Harmonie“ [bei der Maschine würde man sagen: weil ihre Teilchen ja genau so „programmiert“ sind, sich ebenso zu verhalten wie die des zu berechnenden Universums] l a u f e n sie auch dennoch exakt parallel. Wieder gibt es aber das leidige „Zeit-Problem“: offenbar könnte gerade deshalb die Maschine mit ihren Berechnungen auch erst genau zu dem Zeitpunkt fertig sein, wo als das „voraus“-zuberech- nende Ereignis im wirklichen Universum ohnehin gerade wirklich eintritt!
Da wäre dann die dritte mögliche Annahme im Grunde viel einfacher – nämlich:
:: Faktische Identität ::
Statt gekünstelt neben das „wirkliche“ Universum noch eine (Maschinen-)Kopie zu stellen, die sowieso jedesmal bloß gerade das als „Resultat“ ausgeben könnte, was „nebenan“ in der Wirklichkeit ohnehin im gleichen Moment passiert, könnte man also viel simpler sagen:
die einzige „Rechenmaschine“, die dem Laplaceschen Dämon zeigen könnte, wie sich das
Universum entwickeln wird, ist – eben dieses Universum selbst!
Und wenn man statt „Dämon“ jetzt z.B. „Schöpfer“ sagen würde. hieße das: was aus einer Welt werden kann, erfährt selbst ihr Schöpfer auch erst, indem er sie eben erschafft – womit wir bei einer ziemlich unerwarteten Paraphrase des Mottos meiner alten Story wären: „cum deus calculat, fit mundus“ !
Nun war mir diese Überlegung allerdings keineswegs klar, als ich die Geschichte damals schrieb: sonst hätte ich mich nicht mit all den dort konstruierten Argumenten von „Professor“ und „Assistent“ herumgeschlagen, die alle haarscharf an dieser simplen Pointe vorbeigehen.
Ich kam auf diese Betrachtungsweise erst etwa 1964 – als ich gerade als Geschäftsführer ein Rechenzentrum aus der Taufe hob – und hatte damals naturgemäß schwerlich die Muße, sie irgendwie schriftstellerisch zu vertiefen.
Aus heutiger Sicht wird freilich klar, daß dies im Grunde schon damals auf ein zentrales Phänomen der „Chaos-Theorie“ zielte: Prozesse, die zwar durchaus programmierten Regeln folgen – deren Entwicklung aber so komplex ist, daß die einzige Art, herauszufinden, wie sie ablaufen werden, eben darin besteht, sie tatsächlich (z.B. im Computer) ablaufen zu lassen!
Was für Sie – „ideen-geschichtlich“ – an all dem vielleicht interessant sein könnte, ist aber nun: im Grunde folgt all das ja schon – wie skizziert logisch Schritt für Schritt – aus der (da-mals durch die technische Entwicklung der programmierbaren Elektronenrechner nahege-legten) Idee, nicht bloß immer wie Laplace davon zu reden, wie „man durch mathematische Analyse das ganze Universum vorausberechnen könne“ – sondern zu fragen, wie denn eine M a s c h i n e aussehen müsse, die das tun könnte (eine ganz analoge Fragestellung – wie müßte denn eine M a s c h i n e aussehen, die jede mathematische Funktion berechnen könnte – wurde ja, im Konzept von Turing, auch höchst fruchtbar für die mathematische Grundlagenforschung).
Nun war ich mit meiner „Rechenmaschinen“-Story anscheinend der erste, der diese Frage aufwarf (und damals allerdings nur ziemlich oberflächlich zu „beantworten“ suchte). Aber so weit mir bekannt ist, wurde diese Fragestellung danach weder im Bereich der Science Fiction – noch in der auch recht breiten Literatur zu den Themenkreisen „Willensfreiheit und Determinismus“, „Grenzen des Computers“ oder „Chaos und Berechenbarkeit“ wieder auf-gegriffen – obwohl sie doch auf einem sehr direkten Weg zu fruchtbaren Erkenntnissen führt.
Warum wohl ?
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