Anm. Jula: Der nun folgende Text wird auch durch die Erläuterungen von Frau Trugmaid für mich nicht wirklich klar. Hat Hekate hier so etwas wie einen Freimaurer- oder Illuminaten-Orden für Crossdresser ge- oder erfunden?
[Dies ist wiederum ein hochinteressanter Fund:
Zu den Lieblings-Autoren Hellmut Wolframs gehörte u.a. der Amerikaner Howard P. Lovecraft, den Enthusiasten “den Edgar Allen Poe des 20. Jahrhunderts” genannt haben. Für seine Stories kosmischen Grauens hatte dieser eine ganze neue Mythologie entwickelt, in der gräßliche Gottheiten wie “Great Cthulhu”, “Tsathoggua”, “Nyarlathotep, the Crawling Chaos”, “Yog Sototh” usf. ihr (Un-)Wesen trieben, die von geheimen Kulten angebetet und heraufbeschworen wurden – worüber dunkle Andeutungen in (ebenso neu erfundenen) alten Quellen wie dem “Necronomicon des wahnsinnigen Arabers Abu Alhazred”, “Ludvig Prynns ‘De Vermis Mysterii’” oder “Juntzt’s ‘Unaussprechlichen Kulten’” zu finden waren.
So konnte es nicht ausbleiben, daß auch Hellmut sich daran machte, ein Gegenstück dazu im Bereich der TG-Stories zu schaffen! Ausnahmsweise wissen wir genau wann, da die erste der diesbezüglichen Notizen ausnahmsweise einmal datiert war: nämlich vom 31.10,1973; unmittelbar anschließend sind dann die weiteren hier wiedergegebenen Materialien entstanden.
Konsequent ausgeführt hat er dieses Konzept allerdings nicht (weil ihm, wie bei ihm üblich, schon wieder lauter neue Ideen dazwischenkamen) – dennoch finden sich, z.B. in Der Gürtel der Aphrodite oder [seite|@=Geschichten:Astarte kam nach Bannerstadt=@] deutliche Spuren dieser Ideen: die dann jedoch fast 14 Jahre später im “Animagie-Dialog” aufgingen (den man mit Fug und Recht auch in die unten skizzierte Liste der “Gelahrten Materialien zum Kult” aufnehmen könnte!).
Ich übergebe diese Notizen – ohne weitere Kommentare – in diesem Anhang zu meiner Diplomarbeit der Öffentlichkeit.
(Margot Trugmaid, Diplomandin)]
Animagie:
Ein Zyklus von Erzählungen, die gemeinsam auf der Idee basieren, daß es einen geheimen Kult gibt, zu dessen Ritus es gehört, daß Männer Frauenklieder anlegen und sich als Frauen ausgeben.
Reale Basis: Kultischer Transvestitismus, weltweit verbreitet – Mutterreligionen – Mythische doppelgeschlechtliche Wesen – Protest gegen gesellschaftlich festgelegte Geschlechterrollen. Idee, daß Geschlecht durch Magie geändert werden kann. Machtfülle durch Einbeziehung des Gegengeschlechts. Anima (C.G.Jung).
Dahingestellt lassen, ob Kult böse oder gut. Als blasphemisch durch Beschreibungen Außenstehender – als positiv durch Mitglieder schildern lassen. Hohes Alter des Kultes bis zurück in vorgeschictliche Zeiten. Historische Beispiele als zufällig zutage getretene (oder mißverstandene) Ausläufer des eigentlichen inneren Mysteriums schildern,
Ein solcher Kult braucht:
o Eine Göttin (Astarte, Ashtoreth, Aphrodite Androphonos), evtl. mit bisexuellen Attributen. Wird in späteren Zeiten als Dämon (Succuba) mißdeutet. Mondgöttin, Wassergöttin. Verschlingend/Erhebend. Gegnerin der „männlichen Weltordnung“. Evtl. in doppelter Inkarnation (schönes reifes Weib / dicke erdmutterhafte Alte ).
o Priester(innen?) oder Eingeweihte.
o Ritual: z.B. eine „große Anrufung“ – entspr. Satanspakt – mit Abschwören der männlichen Werte und Bitte um weibliche Attribute. Könnte in weiblichen Kleidungsstücken vor Spiegel geschehen und evtl. von einem “Samenopfer“ (Spiegelonanie) begleitet sein. Auch am Wasser (Narzißmus).! Großes reinigendes Bad (Wasser-Symbolik) vorher, wie überhaupt vor Transvestitur.
o „Initiationsriten“ = feierlicher Transvestitur durch „Eingeweihte“. Evtl. Brautkleid – eheähnlicher Ritus (vergl. Nonne=Christusbraut). „Sabbat“ = Tanz/Orgien in Frauenkleidern.
Ein wesentliches Problem ist die „Rekrutierung“ neuer – normalerweise nichts von der Existenz des Kultes ahnender – Mitglieder. Sie kann geschehen:
1) durch bereits Eingeweihte, die nach entspr. Veranlagten suchen bzw. diese zufällig erkennen
2) durch Kontakt mit Literatur über den Kult
3) durch bestimmte mit magischen Kräften ausgestattete Gegenstände, z.B. Schmuckstücke („Isisgeschmeide“), Spiegel, Bilder, Kleidungsstücke (?), Gebäude (Theater ? Tempel ? Besonderer“Weg“ ?)
4) durch persönliches Erscheinen/eingreifen der Göttin, evtl. aus gelöst durch bestimmte magische Formeln, die z.B. in Gedichten, Theaterstücken o.a. verborgen sein können
Insbesondere sind Verkleidungssituationen (Karneval, Theateraufführungen, Photo-Aufnahmen) mythisch anzureichern.
Zentral ist die Einsamkeitssituation des künftigen Mitglieds, mit Selbstwertzweifeln, Verächtlichmachung durch Umgebung, Neid auf schöne Frauen, Sehnsucht nach Schönheit/Frauenhaftem (weniger homosexuellen Impulsen!). Im Gegensatz dazu lustvoller Genuß der Transvestitur, Akzeptanz durch Gleichgesinnte, Verblendung bisheriger Feinde, Gefühl des blasphiamischen Umsturzes der Weltordnung, Machterlebnisse, „süßes Entsetzen“. Insbesondere, wenn sich ein bisher beneidetes schönes Weib gleichfalls als verkleideter Mann entpuppt. Pseudolesbische Liebesszenen sind möglich. Aber auch Übernahme der weiblichen Rolle in Stellvertretung der „Großen weiblichen Göttin“ gegenüber Männern. Ferner das Rachemotiv an einem Mann , der den Verkleideten für ein Mädchen hält. Auch Verführung von weiblichen Wesen.
Die Literatur über den Kult: Evtl. gibt es ein zentrales „heiliges Buch“, das aber nur Kultmitgliedern zugänglich ist und zu den inneren Mysterien hinführt. Ansonsten müssen die Berichte darüber unklar und mit irrelevantem Material vermischt sein. Evtl. gibt es einen (wegen seiner „Abscheulichkeiten“ verbotenen) Roman, in dem Kultmotive vorkommen, und der von einem wegen seiner „Ausschweifungen“ berüchtigten Dichter stammt (der evtl. deswegen ins lrrenhaus gebracht wurde o.a.).
Ebenso möglicherweise einen Zyklus von Stichen oder Graphiken, der die Kultmysterien andeutet (ala Beardsley) und von seinem Erzeuger selbst wieder aus der Öffentlichkeit zurückgezogen wurde. Ferner sind ein paar moderne, photoähnlich-kitschige Bilder wie „Le premiere Rendezvous“ usf. vorhanden, die naturalistisch transvestitische Szenen zeigen (evtl. mit einem hämischen Unterzug in Richtung auf das Tauschen von Männern) und die von Kultmitgliedern selbst mit gemischten Gefühlen beurteilt werden.
Dann könnte es Manuskripte und Zeichnungen eines „Irren“ geben, die irgendwo im Nachlaß eines Psychiaters modern, und die Einsichten in die Kultmaterien enthalten (evtl. ist dieser Irre später aus der Anstalt befreit worden und verschwunden – vielleicht gar irgendwo anders als Frau aufgetaucht?). Es bleibt dahingestellt, ob es sich dabei um „archetypische Einsichten” handelt, die er unabhängig vom Kult gefunden hat, oder um echte Kultschilderungen.
Ferner gibt es ein schulmeisterlich-gelahrtes Manuskript „Von denen ANDROGYNEN oder Asthoreths-Söhnen“ aus dem späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert, das – unter dem allgemeinen Gelächter der „aufgeklärten“ Zeitgenossen – die Existenz dieses Kults aus Zeugenaussagen in einem aktuellen Fall und historisch-ethnographischen Betrachtungen beweisen will, um alle Menschen vor solchen „unnatürlichen Versuchungen“ zu schützen. Der Autor muß dabei eine Mischung von trockener Schulmeisterlichkeit und geheimer, unter Abscheu verborgener Faszination zeigen, ähnlich den Onanie-Autoren. Sowas könnte auch jemand im frühen 19. Jahrhundert geschrieben haben, als „Warnung an Eltern und Erzieher“, mit „erschröcklichen“ Beispielen.
Auch ein altes Hexenbuch könnte diesen speziellen Kult in einem besonderen Abschnitt erwähnen, als spezielle neue List des Satans. Ferner könnte es ein verlorengegangenes antikes Werk „De Mysteriis … “ geben, in dem speziell die kultbezüglichen Eigenarten antiker Kulte behandelt wurden. Da könnten bereits verschiedene der magischen Gegenstände erwähnt werden.
Evtl. gibt es auch eine Autobiographie eines Kultmitglieds, die aber später von den „esoterischen“ Stellen gereinigt worden ist (z.B. d’Eon oder Abbe Choyssy).
Verschiedene „Reiseberichte“ könnten ebenfalls auf Auftreten des Kultes in verschiedenen Ländern hinweisen. Ebenso könnten Erwähnungen des Kults in Berichten über verschiedene „erotische Geheimbünde“ oder „Clubs“ erscheinen.
(31.10.72)
ANDROGYNIA oder
gründliche Gedancken von denen ANDROGYNEN oder Ashtoreths Söhnen, so in Weibes Kleydern Männer und Frauen ins Verderben geführt,
begleitet mit allerley medicinisehen, theologischen und historischen Anmerckungen
und entworfen von
A u g u s t i n F ü r c h t e g o t t B u h l e r,
Rect. des Collegium Carolinum zu Trentenheym
Wolffenbüttel 1751
Inhalt der Ausführung
§ 1. Nothwendigkeit des Diskurses, zur Warnung aller erbaren und GOTTESfürchtigen Männer und Weiber vor den widernatürlichen Wercken des Satans
§ 2. Nachricht von einem Androgyn, so sich zu Brest als eine Frauens Person gezeigt und zwey Officiers alldorten zu einem tödtlichen Duell verleitet
§ 3. Dessen Erzehlung von seinem Packt mit der Teuffelin Ashtoreth, so ihm Weibs Gestalt verliehen
§ 4. Zweyffel daran, so sie der gelehrte Dr. Helsing referiret
§ 5. Dessen offenbahre Irrthümer und deren verborgene Uhrsachen
§ 6. Vergleychung mit einem Berichte Burchards, von einem
maurischen Androgyn zu Toledo
§ 7. Was daraus über die Würckungen des Ashtoreths Packtes zu folgern sey
§ 8, Materialien von denen Batschas, so bey den Turck Tataren statt als naben wie Tanz Mädgen auffgezogen und gekleydet werden
§ 9. Auffzehlung gleicher Historien der alten
§ 10. Von denen heydnischen Priestern der After Göttin Kybele, so auch Weibes Kleyder getragen
§ 11. Von dem Caesar Elagabal, so sich in Lupanaren als Weib gezeiget
§ 12. Gleiche Begebenheiten des Caesars Commodus
§ 13. Anmerckung über die Kedeshim im A.T.
§ 14. Warum im A.T, geboten ward „Es soll nicht Manns Zeug auf einem Weibe seyn, und ein Mann soll nicht das Gewand eines Weibes anlegen, denn wer irgend solches thut, ist ein Greuel für Jehova, deinen GOTT“ (5. Mose 22)
§ 15. Über die irrthümliche Verwechslung der Androgynen mit denen Hermaphroditen, auf welche man sich hierin nicht zu beruffen hat
§ 16. Da diese ohnstreitig blohse lusi naturae, terata oder monstri sind, als e.g. Etmüllers Teratologia erleutert
§ 17. Darlegung des Begrifs von den Androgynen
§ 18. Erstens, daß diese allemal cörperlich masculinum generis sind
§ 19. Zweytens, sie daher, so sie sich als Mädgen oder Weiber ausgeben, eine widernatürliche Täuschung practiciren
§ 20. Drittens, hiebey auf sonderbahre Hülfsmittel, wie künstliche mammae aus Schweins Blasen, Wachs oder weihsem Leder, Perücken aus falschen Frauen Haaren, Schmincke und dergleichen angewiesen sind
§ 21. Viertens, dieses nicht aus einer cörperlichen condotio, sondern unnatürlicher Wollust halber thun
§ 22. Vermuthung, dieses sey eine Geistes Kranckheit
§ 23. Versuch, ob das Androgynen Thum nicht vielmehr eine Würckung des Satans in die Menschen sey
§ 24. Der Teuffel ist der Vater der Lügen
§ 25. Das Geschlecht zu verstellen, ist der gröhsten Lügen eine
§ 26. Dieses wird annoch aus allgemeinern Gründen erläutert
§ 27. Der Teuffei sucht die Menschen zu widernatürlichen Lüsten zu verleiten
§ 28. Dieses thun die Androgynen, so sie sich in Weibes Gestalt unschuldigen Jürjglingen nähern
§ 29. Der Teuffei sucht Männer und Weiber durch seine Anbe¬ter zu verderben
§ 30. Dazu tragen die Androgynen bey, so ihnen einer in ihrer scheinbahren Weibs Gestalt vertraut
§ 31. Weitere Anmerckungen, so hiezu beygebracht werden können
§ 32. Ist die Weibs Natur an sich selbst fleischlicher denn die des Mannes, daher der Teuffei sich ihrer oft mit Vortheil bedient
§ 33. Gelten Weibes Kleyder, Weiber Putz , Schmincke e.c. seit Alters her als Werckzeuge des Satans
§ 34. Hat der Teuffei selbst oft Weibs Gestalt angenommen, so er die Heiligen Väter zu versuchen getrachtet
§ 35. Beweiß aus den Nachrichten von denen conditiones, so in Ereignung der vorfallenden Ashtorets Packte jener Androgynen vermeldet
§ 36. Deren Abschwörung der natürlichen Ordnung GOTTES, in Leugnung der natürlichen und geoffenbahrten Wahrheiten
§ 37. Deren ohnendliche Eitelkeit, Gefallsucht und Hoffahrt, so die Anmahsung Luciferii widerspigelt
§ 38. Deren Gelübde, sich die Fortpflantzung des Androgynen Thums angelegen seyn zu lassen
§ 39. Deren Listen, ahndungslose Knaben und Jünglinge zu ihrem verderblichen Thun zu verleiten
§ 40. Ohngeahndbe Gefahren, bei Comödien, Fasnachtstreiben und dergleichen Lustbarkeiten Weibs Gewänder zu tragen
§ 41 Warnung an Erzieher, Väter und Mütter, dergleichen Masceraden keinerley Vorschub zu leisten, vielmehr sie womöglich würcksam auszurotten
§ 42. Merckwürdige Anzeichen, so mancherorts zur Ausforschung derer Androgynen sich nützlich erwiesen
§ 43. Warum kein erbarer Mann sich mit ohnbekannten Frauens Personen
zu schaffen machen soll
§ 44. Muthmahsung, über die Natur der Dämonin Ashtoreth
§ 45. Welche nichts anderes als des Teuffels Grohse Mutter sey, so in alten Schrifften erwenet
§ 46. Conclusio
(Ideologie)
Vor dem Hintergrund der „ad-absurdum-Theorie“ wäre nun die Literatur des A-Kults aufzubauen.
Buhlers „ANDROGYNIA“ z.B. drückt dabei die (richtige!) Erkenntnis Buhlers aus, daß das „Androgynen Thum“ das Ende der patristischen Weltordnung bedeutet, indem es ihre Fundamente – nämlich die gottgegebenen Geschlechter-Rollen – ins Wanken bringt: Deren „Abschwö¬rung der natürlichen Ordnung GOTTES“ (§36).
Sehr richtig sieht er auch die existenzielle Erhöhungssituation (‚Deren ohnendliche Eitelkeit , Gefallsucht und Hoffahrt, so die Anmahsung Luciferii widerspigelt“§ 37),
Buhlers Angst vor dieser Aufhebung seiner „natürlichen Ordnung“ läßt ihn nun finstere Verschwörungen sehen (§§,38,39), die evtl. in Wirklichkeit gar nicht vorliegen, und hinter jeder Ecke die böse Ashtoreth entdecken (§§ 4o,41,43).
Ganz am Schluß läßt er dann auch ausversehen heraus, warum er solche Angst vor ihr hat: weil sie zur matriarchalischen Weltordnung gehört (§45) – gegen die er in §§ 32-34 nochmal alle alten Klischees der Patristen aufgeführt hat.
So zerrt er denn auch an den Haaren alle evtl. negativen Folgen einer „Verstellung des Geschlechts“ herbei, vom Verderben unschuldiger Jünglinge (sein Beispiel aus § 2. ist typisch gewählt – aber seltsamerweise das Einzige, in dem diese Androgynen nun wirklich nachweisbares Unheil gestiftet haben: denn in seinen §§ 6 – 14 bringt er kein einziges weiteres solches auf die Beine!) bis zu „ohngeandten Gefahren“, die aber schließlich und endlich immer wieder nur auf seine „natürlichen und geoffenbahrten Wahrheiten“ (= die Vorurteile sei¬nes Patrismus) hinauslaufen – wobei er sich mit einem geschickten, aber durchschaubaren Kunstgriff der Hermaphroditen, die ja gar nicht zu seiner „natürlichen“ Ordnung passen, als „lusi naturae, terata oder monstri“ entledigt hat.
Hinter alledem scheint eine durchaus ungesunde Faszination durch das ganze Thema (wie bei den alten Onanie-Bekämpfern) durchzuschimmern.
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